LS6.2 Ausgleich der thermischen Expansion und Kontraktion: Unterschied zwischen den Versionen
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= Vorwärmen = | |||
=== Ablauf der Erwärmung === | |||
Beim Gießen in der Zahntechnik muss die Gussform (Muffel) langsam und gleichmäßig vorgewärmt werden, um die festgelegte Temperatur zu erreichen, die sich nach der Einbettmasse richtet. Die Vorwärmtemperatur ist entscheidend, da eine zu hohe Temperatur den Gusshohlraum vergrößert und zu einem grobkörnigen Gefüge führen kann, während eine zu niedrige Temperatur das Gussobjekt unvollständig ausfüllen lässt. | |||
Die Vorwärmtemperatur für Goldgusslegierungen beträgt 700 °C, für Edelmetall-Aufbrennlegierungen 850 °C und für NEM-Legierungen 950 bis 1100 °C. Der Vorwärmprozess erfolgt kontrolliert in mehreren Stufen. Bei ca. 300 °C wird Wasser abgegeben und Quarzbestandteile wandeln sich um; bei 600 °C erfolgt eine weitere Quarzumwandlung. Im Anschluss wird die Gießtemperatur gehalten, um die Muffel vollständig durchzuwärmen. | |||
Dentaltechnische Vorwärmöfen, die drei- bis vierseitig beheizt sind, sorgen durch Strahlung und Luftzirkulation für eine gleichmäßige Erwärmung der Gussmuffeln. | |||
==Haltetemperaturen== | |||
[[File:Ablauf_Wärmebehandlung.png|right|400px|Ablauf Wärmebehandlung]] | |||
Jede Wärmebehandlung besteht aus den Phasen (s. Abbildung): | |||
# Erwärmen (Aufwärmen und Durchwärmen), | |||
# Halten und | |||
# Abkühlen | |||
==== Erwärmen, Halten und Abkühlen ==== | |||
Das Erreichen der Zieltemperatur eines Werkstücks kann auf zwei Arten erfolgen: einerseits durch Wärmeübertragung, bei der die Wärme durch Wärmeübertragung (durch Konvektion (Muffelofen/Backofen/Heizung) oder Strahlung (Infrarotheizung), auf das Werkstück übergeht (normaler Ofen), und andererseits durch im Werkstück selbst erzeugte Wärme mittels Induktionserwärmung (Mehr dazu beim Gießen). | |||
Bei der Wärmeübertragung erfolgt die Erwärmung des inneren Teils des Werkstücks durch Wärmeleitung, was bedeutet, dass der Kern (die Mitte des Werkstücks) später die Zieltemperatur erreicht als der Rand (die Oberfläche). Dies wird als Durchwärmen bzw. Durchwärmzeit bezeichnet (s. Abbildung oben). Eine viel schnellere Erwärmung ist machbar, wenn die Wärme innerhalb des Werkstücks generiert wird, dies geschieht durch Induktionserwärmung (Mehr dazu beim Gießen). | |||
Mit steigender Erwärmungsgeschwindigkeit, größerer Abmessung des Werkstücks und geringerer thermischer Leitfähigkeit des Materials nimmt der Temperaturunterschied zwischen dem Kern und dem Rand des Werkstücks zu. Obwohl aus ökonomischen Gründen (Zeit, Geld) eine schnelle Erwärmung des Werkstücks angestrebt wird, führt dies zu erhöhten Risiken von Verzug und Rissen aufgrund der beträchtlichen Temperaturdifferenzen zwischen Rand und Kern. |
Aktuelle Version vom 25. Oktober 2024, 13:34 Uhr
Wärmeausdehnungskoeffizient
Der Wärmeausdehnungskoeffizient (WAK) ist ein Materialwert, der angibt, wie stark sich ein Werkstoff bei Temperaturänderung ausdehnt (auseinandergezogen wird) oder staucht (zusammengedrückt wird). Der WAK-Wert wird normalerweise in 10-6 · K-1 angegeben.
Die Einheit Kelvin (K) ist wie Grad Celsius eine Temperatureinheit (siehe Abbildung rechts). Grad Celsius hat seinen Nullpunkt bei dem Gefrierpunkt von Wasser (bei 0°C gefriert Wasser). Kelvin hat seinen Nullpunkt bei dem Punkt, an dem es keine thermische Bewegung mehr gibt. 0 K sind -237,15 °C. Ansonsten bleibt alles gleich. Eine Temperaturänderung von 1 K ist genauso groß wie eine Temperaturänderung von 1°C.
Ein Beispiel: Ein 1 Meter lange Kupferstange mit einem Wärmeausdehnungskoeffizienten von 16,4 · 10-6 1/K wird sich bei einer Temperaturerhöhung um 1 Kelvin auf 1,0000164 Meter dehnen (1m+1m*16,4 · 10-61/K · 1K).
Kontraktion einer Legierung unterhalb des Soliduspunktes
Wir wissen bereits, dass Legierungen sich bei Wärme ausdehnen. Man sagt dazu auch Wärmeausdehnung oder thermische Expansion. Wenn sich die Legierungen wieder abkühlen, ziehen sie sich zusammen. Man sagt dazu auch Wärmeschrumpfung oder thermische Kontraktion.
Diese thermische Expansion und Kontraktion gilt für alle Stoffe. Jedoch expandieren und kontrahieren unterschiedliche Werkstoffe unterschiedlich stark. Beim Gießen erhitzen wir die Muffel, den feuerfesten Vlies, die Einbettmasse und die Legierung, 4 Werkstoffe mit vier unterschiedlichen Wärmeausdehnungen und Wärmeschrumpfungen.
Wenn Legierungen vollständig fest(also unterhalb der Solidustemperatur bis zur Raumtemperatur) weiter abkühlen erfolgt die thermische Kontraktion (auch Wärmeschrumpfung). Dabei verringert sich das Volumen um ca. 1,6 % bei Goldguss- und 2,2% bei Modellgusslegierungen (s. Abbildung rechts). Da die Legierung beim Gießen zunächst größer ist als die Legierung später auf Raumtemperatur sein soll, muss die Gussform diese Expansion/Ausdehnung ausgleichen. Die Gussform aus Einbettmasse muss also etwas während der Verarbeitung bzw. Verwendung expandieren, um die thermische Kontraktion der Legierung auszugleichen.
Die benötigte Expansion der Einbettmasse erfolgt in 2 Schritten, die Abbindeexpansion und die thermische Expansion.
Abbindeexpansion der Einbettmasse
Abbindeexpansion ist die Expansion (Ausdehnung) durch das Abbinden (Aushärten/Erstarren) der Einbettmasse. Einbettmasse expandiert während des Abbindevorgangs. Die Abbindeexpansion unterscheidet sich je nach verwendetem Bindemittel. Bindemittel binden Stoffe zusammen, sie verbinden sie.
- Bindemittel
- Gips (nur bei Vollguss)
- Phosphat
! Bitte lese hier auch folgende Links:
Die Expansion hängt neben der Auswahl des Bindemittels von folgenden Faktoren ab:
- Verhältnis von Wasser zu Anmischflüssigkeit (nur bei phosphatgebundenen Einbettmassen)
- Dicke des Muffelvlieses (Die Einbettmasse soll in alle Richtungen expandieren. Wenn Sie bei zu dünnen Vlies nicht in Richtung Vließ/Muffelring expandieren kann, muss sie in Längsrichtung expandieren)
- Einhalten der vorgegebenen Abbindezeiten
- Verwendung eines Drucktopfes (?)
Die Anmischflüssigkeit bei phosphatgebundenen Einbettmassen ist eine Lösung von Kieselsol, also ein kollodiales (gelartiges) Siliziumhydroxid. Es geliert und kristallisiert an den Kristallen der feuerfesten Bestandteile Quarz und Cristobalit in der Einbettmassemischung. Es sorgt so für eine etwas höhere Expansion.
Die thermische Expansion der Einbettmasse
Die Versuche zur Abbindeexpansion von Einbettmasse haben gezeigt, dass diese Expansion nicht ausreicht, um die thermische Kontraktion des Gussobjektes zwischen Soliduspunkt und Raumtemperatur auszugleichen. Es muss also noch eine weitere Expansion der Einbettmasse stattfinden!
Es handelt sich dabei um die so genannte thermische Expansion!
Sie ist zurückzuführen auf die Zusammensetzung der Einbettmasse:
- Feuerfeste Bestandteile
- Quarz
- Cristobalit
- Tridymit
Bestandteil | Umwandlungsvorgang | Temperaturbereich | Volumenänderung |
---|---|---|---|
Tridymit | β-Tridymit zu β-Christobalit | 1470 °C | + 4,7 % |
Quarz | β-Quarz zu β-Christobalit | 1000 - 1450 °C | + 11,7 % |
Quarz | β-Quarz zu β-Tridymit | 870 °C | + 12,7 % |
Quarz | α-Quarz zu β-Quarz | 575 °C | + 2,4 % |
Cristobalit | α-Cristobalit zu β-Cristobalit | 270 °C | + 5,6 % |
Tridymit | α-Tridymit zu β-Tridymit | 117 °C | + 0,6 % |
Die feuerfesten Bestandteile der Einbettmasse sorgen für eine Expansion der Einbettmasse bei Erwärmung. Tridymit und Cristobalit sind (Hochtemperatur-)Modifikationen von Quarz (SiO2). Sie ändern/wandeln, je nach Temperatur, ihren kristallinen Aufbau und damit auch ihr Volumen. Diese Umwandlung geschieht bei bestimmten Temperaturen recht zügig! Tridymit wird, im Gegensatz zu Critobalit und Quarz, nur in kleinen Mengen verwendet.
Die thermische Umwandlung von Quarz und seinen Modifikationen hängt mit der Anordung der Atome zusammen. Die Umwandlung von α-Quarz in β-Quarz (Tiefquarz in Hochquarz), ist mit einer Änderung des Bindungswinkels der SiO2-Moleküle von 144° auf 147° verbunden.
Arbeitsauftrag
Die thermische Umwandlung (und damit Expansion) der verschiedenen Quarz-Modifikationen findet bei den in der Grafik dargestellten Temperaturen statt. Bei welchen, zahntechnisch gesehen, relevanten Temperaturen, finden Umwandlungsprozesse der Quarz-Modifikationen Quarz, Tridymit und Cristobalit statt und wie hoch ist die jeweilige Expansion in diesem Temperaturbereich? Was bedeutet das für das Vorwärmen der Einbettmasseformen?
Lies dir nun die Verarbeitungsanleitungen für die Einbettmassen durch und vergleiche die Haltetemperaturen mit den Umwandlungsvorgängen.
Verarbeitungsanleitung phosphatgebundene Einbettmasse: findest du hier
Verarbeitungsanleitung Gipsgeundene Einbettmasse: hier
Ergänzende Informationen für Interessierte
Zum Thema Einbettmasse gibt es auch einen großen Artikel in der Wikipedia.
Vorwärmen
Ablauf der Erwärmung
Beim Gießen in der Zahntechnik muss die Gussform (Muffel) langsam und gleichmäßig vorgewärmt werden, um die festgelegte Temperatur zu erreichen, die sich nach der Einbettmasse richtet. Die Vorwärmtemperatur ist entscheidend, da eine zu hohe Temperatur den Gusshohlraum vergrößert und zu einem grobkörnigen Gefüge führen kann, während eine zu niedrige Temperatur das Gussobjekt unvollständig ausfüllen lässt.
Die Vorwärmtemperatur für Goldgusslegierungen beträgt 700 °C, für Edelmetall-Aufbrennlegierungen 850 °C und für NEM-Legierungen 950 bis 1100 °C. Der Vorwärmprozess erfolgt kontrolliert in mehreren Stufen. Bei ca. 300 °C wird Wasser abgegeben und Quarzbestandteile wandeln sich um; bei 600 °C erfolgt eine weitere Quarzumwandlung. Im Anschluss wird die Gießtemperatur gehalten, um die Muffel vollständig durchzuwärmen.
Dentaltechnische Vorwärmöfen, die drei- bis vierseitig beheizt sind, sorgen durch Strahlung und Luftzirkulation für eine gleichmäßige Erwärmung der Gussmuffeln.
Haltetemperaturen
Jede Wärmebehandlung besteht aus den Phasen (s. Abbildung):
- Erwärmen (Aufwärmen und Durchwärmen),
- Halten und
- Abkühlen
Erwärmen, Halten und Abkühlen
Das Erreichen der Zieltemperatur eines Werkstücks kann auf zwei Arten erfolgen: einerseits durch Wärmeübertragung, bei der die Wärme durch Wärmeübertragung (durch Konvektion (Muffelofen/Backofen/Heizung) oder Strahlung (Infrarotheizung), auf das Werkstück übergeht (normaler Ofen), und andererseits durch im Werkstück selbst erzeugte Wärme mittels Induktionserwärmung (Mehr dazu beim Gießen).
Bei der Wärmeübertragung erfolgt die Erwärmung des inneren Teils des Werkstücks durch Wärmeleitung, was bedeutet, dass der Kern (die Mitte des Werkstücks) später die Zieltemperatur erreicht als der Rand (die Oberfläche). Dies wird als Durchwärmen bzw. Durchwärmzeit bezeichnet (s. Abbildung oben). Eine viel schnellere Erwärmung ist machbar, wenn die Wärme innerhalb des Werkstücks generiert wird, dies geschieht durch Induktionserwärmung (Mehr dazu beim Gießen).
Mit steigender Erwärmungsgeschwindigkeit, größerer Abmessung des Werkstücks und geringerer thermischer Leitfähigkeit des Materials nimmt der Temperaturunterschied zwischen dem Kern und dem Rand des Werkstücks zu. Obwohl aus ökonomischen Gründen (Zeit, Geld) eine schnelle Erwärmung des Werkstücks angestrebt wird, führt dies zu erhöhten Risiken von Verzug und Rissen aufgrund der beträchtlichen Temperaturdifferenzen zwischen Rand und Kern.