LS4.2 Verarbeitung von Autopolymerisat
Du hast während Deiner bisherigen Ausbildung sicherlich schon mit Autopolymerisat eine Prothese repariert oder unterfüttert. Du kennst die Arbeitsschritte und verwendest den Drucktopf zum Aushärten (Polymerisation). Hast Du die Verarbeitungsanleitung für das Autopolymerisat schon mal gelesen ;-)?
Die Polymerisation von Methylmethacrylat sollte dir grundsätzlich in Bezug auf Auto- und Photopolymerisat aus der Lernsituation 2.1 bekannt sein.
Wiederholung Polymerisation
Überprüfe nun zunächst Dein Wissen aus der Lernsituation 2.1 mit den beiden folgenden Übungen:
Als Lernende des ADBK Düsseldorf führst Du die Übungen bitte in Deinem Lernmanagementsystem (LMS) aus! Nur dort erhältst Du auch eine Bewertung für die Übung.
Arbeitsschritte zur Reparatur[1][2]
Die Reparatur einer Prothese führst Du normalerweise in diesen Schritten durch:
- Du hast einen Vorwall angefertigt.
- Du hast das Arbeitsmodell für die Reparatur gewässert und isoliert.
- Du rauhst die Bruchstelle der Prothese großzügig an, fixierst sie am Modell und benetzt die angerauhten Stellen mit Monomer.
- Du rührst den Kunststoff aus Momoner und Polymer nach Herstellerangaben an.
- Du trägst den angerührten Kunststoff großzügig auf oder lässt ihn bei größeren Defekten einlaufen.
- Du stellst die Prothese bzw. das Modell mit der Prothese zur Polymerisation nach Herstellerangaben in den Drucktopf.
Im Klassenraum bzw. im Lernmanagementsystem (LMS) liegen Verarbeitungsanleitungen für Autopolymerisat eines oder mehrerer Kunststoffhersteller bereit.
Vergleiche den oben beschriebenen Ablauf mit den Vorgane der Hersteller und notiere bei Bedarf mit Hilfe deiner Lehrkraft Besonderheiten der Verarbeitungsanleitung.
Vorbereitung des Modells und der Bruchstelle
Isolieren des Modells
Isolieren bedeutet per Definition, etwas durch eine undurchlässige Schicht schützen.
Eine Gipsisolierung besteht aus Alginat-Isoliermittel (Natrium-Alginat). Dieses wird auf die Gipsoberfläche gestrichen und es findet ein Ionen-Austausch zwischen der Na-Ionen des Isoliermittels und den Ca-Ionen der Gipsoberfläche statt. Durch diese Reaktion geliert das Alginat. Es entsteht ein hauchdünner Film auf der Oberfläche des Modells.
Würde man den angemischten Kunststoffteig auf eine trockene Gipsoberfläche aufbringen, so würde sich Monomer in den porösen Gips einsaugen. Der Kunststoff wäre dann untrennbar mit dem Gips verbunden. Würde man beide Teile unter Gewalt trennen, wäre die Kunststoffoberfläche rauh und porös. Der Gips muss daher zum einen feucht sein. Zum anderen muss eine dünne Alginatschicht auf das Modell aufgetragen werden.
Isoliermittel-Pfützen reagieren nicht mehr mit den Ca-Ionen der Gipsoberfläche und führen zu Ungenauigkeiten in der fertigen Arbeit.
Anrauen des Kunststoffes
Durch das Anrauhen der Bruchstellen vergrößerst Du die Oberfläche dieser Bereiche. Daher ist es wichtig, die Bruchstücke anschließend mit flüssigem Monomer zu benetzen. Das Monomer dringt in den bereits polymerisierten Kunststoff der Prothese ein. Durch das Vergrößern der Oberfläche dringt mehr Monomer in die Prothese ein und liegt dann zwischen den vorhandenen Ketten.
Verarbeitung des Kunststoffs
Anquellprozess
Nachdem Du den Kunststoff angerührt hast, beginnt im Kunststoff der Anquellprozess. Die Monomere dringen wie bei der Prothese in die Oberfläche der Polymerkugeln (Perlpolymerisat) ein
Das Gießverfahren
Hierbei werden meistens flüssige Autopolymerisate wie in unserem Beispiel in einen Vorwall gegossen und unter Druck bei 40°C bis 55°C im Wasserbad polymerisiert. Es gibt auch Gießküvetten mit spezieller Dubliermasse. Nach dem Anrühren ist der Kunststoff etwa 3 Minuten lang gießfähig und geht danach in die plastische Phase über. Nach spätestens etwa 10 Minuten (bitte Verarbeitungsanleitung des jeweiligen Kunststoffes beachten!) soll sich die Arbeit im Drucktopf befinden.
Einsatz findet die Methode nicht nur bei Reparaturen, sondern auch bei der Herstellung und Komplettierung von temporären partiellen Prothesen. Das Verfahren ist vor allem zeitsparend und kostengünstig wegen des geringen apparativen Aufwand und somit bei Reparaturen beliebt.
Die Polymerisation im Drucktopf [3][4]
Polymerisation
Während er Polymerisation bilden die Momomere Ketten. Wie das abläuft, weißt Du bereits (siehe Übung oben). Die Monomere, die sowohl in die Polymerkugeln als auch in die alte Prothese beim Anquellen eingedrungen sind, werden nun in die Ketten eingebaut. Da sie zwischen den alten Ketten liegen, umschlingen die neuen Ketten die alten. So entsteht ein stabiles Netzwerk aus alten und neuen Polymerketten.
Es entsteht keine neue chemische Verbindung von alten und neuen Ketten zu einer neuen. Die entstehende Verbindung ist eine rein physikalische Verbindung, da die Ketten sich nur gegenseitig wie oben beschrieben umschlingen. Man nennt solche Verbindungen interpenetrierende Netzwerke.
Wärmeentwicklung
Bei der Polymersation von MMA wird ein erhebliche Wärme freigesetzt. Die sich im Kunststoffteig bewegenden Monomermoleküle verlieren beim Andocken an ein Kettenende ihre Bewegungsenergie. Diese wandelt sich in Wärmeenergie um und werd frei. Die Polymerisation ist daher eine exotherme Reaktion.
Diese Wärme muss einerseits so abgeführt werden, dass der Kunststoffteig nicht über 100,3°C warm wird. Bei dieser Temperatur würde das Monomer im Kunststoffteig sieden (kochen) und weiße sichtbare Bläschen im Kunststoff bilden. Das verschlechtert die Festigkeit und die Ästhetik. Das passiert besonders an dicken Stellen der Prothesen, an denen die Wärme schlecht abgeführt werden kann!
Daher erfolgt die Polymerisation im Drucktopf bei 45 - 55°C warmem Wasser. Obwohl das Wasser warm ist, ist es gegenüber der frei werdenden Wärme der exothermen Reaktion immer noch kalt. Es kühlt als die Prothese und verhindert so das Sieden des Momomers und so das Entstehen von Siedebläschen während der Hauptphase der Polymerisation.
Der Druck von 2 bar im Drucktopf sorgt zusätzlich dafür, dass Siedebläschen verhindert werden. Die Siedetemperatur erhöht sich unter 2 bar Druck bei Monomer auf 130-140°C. Mit steigendem Druck erhöht sich demnach der Siedepunkt. Du darfst den Drucktopf während des Polymerisationsvorgangs daher nie öffnen.
Wasseraufnahme des Monomers
Die Beschleunigung der Polymerisation gegenüber Raumtemperatur verhindert, der noch nicht polymerisierte Teil des Kunststoffteiges Wasser aufnimmt. Dies würde zu einer Weißverfärbung an der Oberfläche des Kunststoffes führen. Monomer kann auf Dauer bis zu ca. 1% Wasser aufnehmen.
Restmonomergehalt
Die Wärme des Wassers im Drucktopf bewirkt aber im Laufe der Polymerisation eine Beschleunigung der Polymerisation und einen vollständigeren Ablauf. Die Monomermoleküle bleiben im warmen Wasser beweglicher (mehr Bewegungsenergie) und können so besser zufällig offene (radikale) Kettenenden finden. Je mehr Monomere Kettenenden finden und sich verbinden, desto geringer wird der Restmonomergehalt!
Allerdings muss bei der kurzen Polymerisationszeit der recht hohe Restmonomergehalt kurz nach der Polymerisation beachtet werden. Der Restmonomergehalt (zu Beginn ca. 4%) sinkt erst nach ungefähr 3 Tagen auf gesundheitlich akzeptable Werte von ca. 2% (z.B. Paladur Reparaturkunststoff) oder unter 1% (z.B. Palapress Prothesenkunststoff)[5]!
Schrumpfung des Kunststoffes
Monomer allein schrumpft bei der Polymerisation um ca. 20-30%!. Das würde eine unkontrollierbare Volumenänderung bei der Polymersiation bedeuten. Damit die Schrumpfung bei der Reparatur nicht so hoch ausfällt, wird mit dem Polymer schon fertig polymerisierter Kunststoff hinzugefügt. Der schrumpft natürlich nicht mehr. So kann die Gesamtschrumpfung auf ca. 4% reduziert werden.
Das funktioniert natürlich nur, wenn auch das Mischungsverhältnis zwischen Monomer und Polymer optimal ist. Die Herstellerangaben sind diesbezüglich optimiert. Gibt man mehr Monomer als geplant hinzu, schrumpft der Kunststoff mehr als notwendig. Gibt man weniger hinzu, entstehen oder bleiben bei der Polymerisation kleine Löcher (Lunker) zwischen Kugeln des Polymers.
Das Polymer ist sogenanntes Perlpolymerisat. Die verschiedenen Kugelgrößen ermöglichen eine Anordnung mit möglichst kleinen Zwischenräumen. So kommt man mit relativ wenig Monomer aus, was eine recht geringe Schrumpfung ermöglicht.
- ↑ Eichner/Kappert; Zahnärztliche Werkstoffe und ihre Verarbeitung, Hüthing Verlag Heidelberg; 1996; S.202ff
- ↑ Rieder; Nichtmetalle; Verlag Neuer Merkur; 2018; S.246f
- ↑ Eichner/Kappert; Zahnärztliche Werkstoffe und ihre Verarbeitung, Hüthing Verlag Heidelberg; 1996; S.217ff
- ↑ Rieder; Nichtmetalle; Verlag Neuer Merkur; 2018; S.246f
- ↑ Rieder; Nichtmetalle; Verlag Neuer Merkur; 2018; S.264