LS4.1 Halte- und Stützelemente temporärer partieller Prothesen
Klammerarten
Klammern verankern die Prothese mit dem Restgebiss.
- Der Klammerunterarm liegt im unter sich gehenden Bereich des Zahnes (Infrawölbung) und hält die Prothese am Restgebiss. Er wirkt gegen Zugkräfte. Beim Ausgliedern der Prothese ist dieser Klammerteil elastisch.
- Der Klammeroberarm liegt oberhalb des prothetischen Äquators in der Suprawölbung und dient als Führung beim Ein- und Ausgliedern der Prothese. Dieser Klammerteil wirkt gegen laterale Kräfte (Schubkräfte).
- Die Klammerauflage liegt okklusal im Seitenzahnbereich bzw. oral der Frontzähne. Die Auflage leitet vertikale Kräfte (Druckkäfte) weiter und dient somit als abstützendes Element (in der GP1 werden allerdings Klammern ohne Auflage gebogen).
- Die Klammerschulter verbindet den Klammeroberarm mit dem Klammerschwanz. Die Schulter liegt oberhalb des prothetischen Äquators.
- Der Klammerschwanz (manchmal auch Appendix genannt) fixiert die Klammer in der Prothesenbasis.
H.-J. Wenz / E. Hellwig[1]
unterscheiden die Klammern folgendermaßen:
- Einarmklammern liegen nur vestibulär am Zahn an. Da hier oral kein Klammerarm vorhanden ist, muss die Prothesenbasis als Widerlager (Gegenlager) fungieren. Der Klammerdraht muss rund, federhart und biokompatibel (mundbeständig) sein.
- Doppelarmklammern liegen sowohl vestibulär als auch oral am Zahn an. Sie wird oftmals aus einem Klammerkreuz gebogen. Von okklusal betracht sieht diese Klammerart wie ein C aus.
- Dreiarmklammern werden auch E-Klammern genannt und sind Doppelarmklammern mit Auflage. Die Auflage liegt hierbei an der Klammerschulter.
- Eine weitere relevante Klammer ist die G-Klammer. Sie wird wie die Doppelarmklammer aus einem Klammerkreuz gebogen. Der orale Klammerarm endet in einer Auflage.
Arbeitsauftrag
Skizziere für jede Klammerart einen Zahn mit Klammer von okklusal, von vestibulär und von oral.
Beschrifte Deine Zeichnung.
Erläutere die Funktion der Klammerbestandteile.
Klammerverlaufslinie festlegen
Wenn Du entschieden hast, welche Klammern Du für den Patientenfall verwenden kannst, legst du die Lage der Klammer am Zahn fest.
Da sich der Klammerunterarm im unter sich gehenden Bereich befinden soll, musst du diesen zunächst festlegen. Dieser Bereich kann mit Hilfe des Äquator bestimmt werden, wobei zwei unterschieden werden:
- Der Anatomische Äquator ist der größte Umfang eines einzelnen Zahnes bezogen auf seine Längsachse.
- Der Prothetische Äquator ist die größte Ausdehnung eines Zahnes bezogen auf die gemeinsame Einschubrichtung der Prothese. Um diese zu bestimmen, wird das Modell in ein Modellhalter eingespannt. Durch Neigen des Modells wird mit Hilfe des Parallelometers solange vermessen, bis sich für alle zu umklammernden Zähne ausreichend Unterschnitttiefen ergeben. Die Einschubrichtung der Prothese ist damit bestimmt. Der Prothetische Äquator wird auch als Klammerführungslinie bezeichnet, der genaue Verlauf der Klammerarme als Klammerverlaufslinie.
Wurde der Prothetische Äquator nach dem Vermessen mit einer Graphitmine markiert, wird die bukkale Fläche senkrecht in zwei Hälften geteilt. Zusammen mit dem Prothetischen Äquator ergeben sich nun vier Quadranten.
Als Nächstes wird die Lage der Klammerspitze im Retentionsgebiet z.B. mit Hilfe des Ney-Systems festgelegt.
Je nach Zahngruppe gilt für das Ney-System:
- Kurzer Klammerarm = kleiner Teller (0,25 mm) = 0,25 mm Federweg (für Prämolaren und Fronzähne)
- mittellanger Klammerarm = mittlerer Teller (0,5 mm) = 0,5 mm Federweg (für Molaren)
- langer Klammerarm = großer Teller (0,75 mm) = 0,75 mm Federweg (bei sehr langen Klammerarmen)
Die Klammerspitze liegt in dem der Klammerschulter diagonal gegenüberliegendem Quadranten so weit zervikal und approximal, dass sie jeweils mindestens noch 1 mm Abstand zum Zahnfleischsaum entfernt ist. Die Stelle wird mit einem Punkt markiert.
Der Klammerunterarm umfasst mindestens die Hälfte des Klammerarms unterhalb des prothetischen Äquators.
Die Klammerschulter und der Klammeroberarm liegen immer auf oder oberhalb des prothetischen Äquators. Die Klammerverlaufslinie kann eingezeichnet werden. Sie verläuft leicht S-förmig gebogen von der Klammerschulter bis zur Klammerspitze.
Arbeitsauftrag zur (digitalen) Klammervermessung
Mit dieser Blender-Datei kannst du Klammern digital vermessen und die Klammerverlaufslinien ermitteln.
Im Prinzip verläuft die Vermessung wie beim Ney-System mit den gleichen Hilfsmitteln und Werkzeugen, nur eben digital.
Video-Anleitung zur digitalen Vermessung:
Digitales Ausblocken:
Federkraft einer Klammer
Mit dem Ney-System kann die Lage der Klammerspitze im Unterschnitt so bestimmt werden, dass nicht irgendeine zufällige sondern eine bestimmte, definierte Federkraft der Klammer auftritt. Diese Kraft darf 10N Zugkraft am Zahn nicht überschreiten
Für die Konstruktion von gebogenen Klammern für Interims- und Immediatprothesen bedeutet dies, dass die Retentionskräfte der Klammern an einem Zahn diesen Wert nicht überschreiten dürfen!
Du solltest daher wissen, welche Faktoren die Retentionskräfte der Klammer beeinflussen:
- Länge des Klammerarms
- Federweg
- Elastizitätsmodul des Metalls (ca. 190000 N/mm² bei modernen FeCrNiMo-Drahtlegierungen (z.B. Wironit-Klammerdraht der Firma BEGO)
- Unterschnittwinkel
- Querschnittsfläche des Klammerdrahtes, die sich aus dem Durchmesser ergibt.
Mathematisch lässt sich die Retentionskraft F (Federkraft) einer gebogenen Klammer folgendermaßen darstellen:
- Die 3 im Zähler des ersten Bruchs ergibt sich aus den entsprechenden Formeln. Du muss sie einfach mal ohne Begründung glauben ;-).
- f ist dabei der Federweg der Klammerspitze. Das ist genau die Länge in mm, um die die Klammer verbogen werden muss, um über den prothetischen Äquator zu gleiten.
- E ist der Elastizitäts-Modul des Klammerdrahts. Diese Werkstoffeigenschaft beschreibt den Widerstand des Draht-Werkstoffes gegen das elastische Verbiegen.
- l ist die Länge des Klammerarms in mm. Diese Größe ist sehr entscheidend, sie geht in dritter Potenz in die Gleichung ein.
- Der zweite Bruch stellt die Auswirkung der kreisrunden Form des Drahtes auf das elastische Verbiegen dar. r ist dabei der Radius des Drahtquerschnitts. Fachsprachlich sagt man Flächenmoment dazu.
Arbeitsauftrag - Level 1/2
Berechnung der Federkraft einer Klammer ohne Berücksichtigung des Unterschnittwinkels!
Der Federweg einer Klammer beträgt bei der Vermessung mit dem Ney-System 0,25mm für kurze Klammerarmen an kleine Zähne (z.B. E-Klammer/Prämolar), 0,5mm für normale Klammerarme an größeren Zähnen (z.B. E-Klammer/Morlar) oder 0,75 mm für besonders lange Klammerarme (z.B. Ringklammer).
Berechne mit Hilfe der obigen Formel den passenden Drahtquerschnitt und den passenden Federweg für verschiedene Klammerarmlängen. Gehe dabei davon aus, dass z.B. eine kurze Klammer in etwa 7mm, eine normale ca. 10mm und eine lange ca. 18mm lang ist. Die Federkraft der Klammer darf, wie oben schon erwähnt, nicht größer als 10N sein!
Mit dieser Tabellenkalkulation kannst Du Deine Berechnungsergebnisse kontrollieren.
Für fortgeschrittene Denker kommt nun bei der Berechnung der Unterschnittwinkel noch ins Spiel! Mit seiner Berücksichtigung kannst du nun die eigentlichen Retentionskräfte einer Klammer berechnen!
Arbeitsauftrag (mit Tabellenkalkulation und Unterschnittwinkel) - Level 3/4!
Berechnung der Retentionskraft einer Klammer unter Berücksichtigung des Unterschnittwinkels!
Die Federkraft einer Klammer hast du im obigen Arbeitsauftrag schon mit Hilfe einer Tabellenkalkulation berechnet. Dem Artikel zum Unterschnittwinkel kannst du entnehmen, dass z.B. bei einem Winkel von 22,5° die Retentionskraft auf ca. 41% der Federkraft sinkt. Das ergibt sich daraus, dass z.B. bei einem Federweg von 0,5 mm bei einem Unterschnittwinkel von 22,5° der eigentliche Weg der Klammer die Zahnwölbung entlang nach dem Prinzip der schiefen Ebene 1,1 mm lang ist.
Diesen Wert kannst du aus dem Sinus des Unterschnittwinkels berechnen. Lass dir das, wenn nötig, von deinem Lehrer erklären!
Mit dieser Tabellenkalkulation kannst Du Die Klammerkräfte unter Berücksichtigung des Unterschnittwinkels berechnen.
- ↑ H.-J. Wenz / E. Hellwig; Zahnärztliche Propädeutik