8.2 Lithium-Disilikat
Titel der Lernsituation
Den Einsatz monolithischer vollkeramischer Versorgungen antagonistengerecht planen sowie Patienten diesbezüglich beraten.
Problemstellung
Hr. ZTM Meier (Dentallabor Neuzahn GmbH) bekommt erneut einen Videoanruf von Fr. Dr. Müller
Fr. Dr. Müller: Hallo Hr. Meier! Guten Tag!
Hr. ZTM Meier: Hallo Fr. Müller, schön, sie schon wieder zu sehen!
Fr. Dr. Müller: Ich habe Ihnen diesmal die Intraoralscan-Daten eines 45jährigen Patienten geschickt, der zwei Kronen auf 46 und 47 benötigt.
Hr. ZTM Meier: Ja, ich sehe den Status in der Datei. Zwei vollkeramische monolithische Seitenzahnkronen.
Fr. Dr. Müller: Ich lege großen Wert darauf, die Antagonisten möglichst zu schonen. Der Patient möchte aber gern monolithische Kronen haben.
Hr. ZTM Meier: Ok, kein Problem, wir kümmern uns darum. Der Patient kann zu uns ins Labor kommen. Er wird dann zu den werkstoffkundlichen Möglichkeiten für die Seitenzahnkronen beraten.
Fr. Dr. Müller: Prima, Fr. Meier, ich weiß, ich kann mich auf Sie verlassen. Den letzten Fall mit der Frontzahnkrone der jungen Patientin haben Sie hervorragend gelöst!
Hr. ZTM Meier: Danke für das Lob! Ich gebe es an die Technikerin weiter!
Fr. Dr. Müller: Tschüss!
Hr. ZTM Meier überlegt diesmal nicht lange, sondern wendet er sich sofort an die neu eingestellte Jungtechnikerin Fr. Schmidt
Hr. ZTM Meier: Fr. Schmidt, ich habe ein Lob für Sie! Fr. Dr. Müller und die Patientin waren mit der Frontzahnkrone mehr als zufrieden! Ich hab auch gleich einen neuen spannenden Auftrag für Sie. Sie werden dabei den Patienten auch werkstoffkundlich beraten.
Fr. Schmidt: Danke, Danke, das freut mich sehr!
Fr. Schmidt, die sich so langsam im neuen Labor eingelebt hat, denkt: "Ok, eine neue Herausforderung. Es kommt dann wohl nur Zirkonoxid in Frage, oder ... ?"
Werkstoffkunde und Fertigungstechnik
Die Kompetenzen aus der Lernsituation - Dentale Glaskeramiken - Feldspat werden hier vorausgesetzt. Speziell die Einteilung dentaler Keramiken musst du sicher beherrschen!
Zusammensetzung/Gefüge
Lithium ist das leichteste Alkalimetall. Es bildet mit Siliciumdioxid verschiedene Silikate. Bei bestimmten Temperaturen bilden sie aus der Glasschmelze Kristalle. Damit das passiert, muss z.B. Phosphorpentoxid als Keimbildner hinzugefügt werden.
Verarbeitung im digitalen Workflow
Die Hersteller gießen Glasrohlinge. Die werden zunächst im ersten Kristallisationsbrand im Ofen für eine bestimmte Zeit erhitzt. Es bilden sich Keime für die Bildung von Lithiummetasilikat (Li2SiO3) und Lithiumdisilikat (Li2Si2O5). Danach wird die Ofentemperatur erhöht. In der Glasphase bilden sich die Lithiummetasilikat-Kristalle. Die Rohlinge sehen nach dem Abkühlen trüb aus und haben eine typische hellblau-violette Farbe. Die Rohlinge der Glaskeramik sind jetzt so weich, dass sie subtraktiv durch CNC-Maschinen mit Diamantschleifern bearbeitet werden können.
Nach der subtraktiven Fertigung erfolgt im Labor ein zweiter Kristallisationsbrand. Bei 770°C bilden sich innerhalb von 10 Minuten Lithiumdisilikat-Kristalle. Die Metasilikat-Kristalle lösen sich dabei langsam auf und bilden die Lithiumdisilikat-Kristalle. Nach der Umwandlung wird die Temperatur wieder für 10 Minuten auf 850°C erhöht. Jetzt wachsen die Lithiumdisilikat-Kristalle bis zu ihrer endgültigen Größe.
Glaskeramiken werden also ...
- vom Hersteller als Schmelze in die gewünschte Form gegossen und abgekühlt.
- vom Hersteller anschließend entweder vorkristallisiert (e.max, Suprinity) oder auskristallisiert (Celtra).
- nach der subtraktiven Fertigung noch endkristallisiert (vorkristallisierte Glaskeramiken).
- nicht mehr thermische nachbehandelt (auskristallisierte Variante).
Beispiele sind die Lithiumdisilikat-Glaskeramik IPS e.max (Ivoclar Vivadent) und die zirkonoxidverstärkten Lithiumsilikat-Keramiken VITA Suprinity (Vita Zahnfabrik) sowie Celtra Duo (Degudent).
Verarbeitung als Presskeramik
Lithiumdisilikat-Keramik kann auch als Presskeramik verwendet werden. Die Rohlinge liegen dann bereits im auskristallisierten Endzustand vor. Die Muffel wird auf 850°C vorgewärmt. Das Pressen erfolgt bei einer Temperatur von 920°C.
Der Artikel Gepresste Glaskeramik von Michael Tholey beschreibt die Verwendung von Lithium-Disilikat als Presskeramik.
Zirkonverstärktes Lithiumdisilikat (ZLS)
Die Lithiumsilikat-Glaskeramik (z.B. CELTRA von Dentsply Sirona oder SUPRINITY PC von VITA) enthält einen zusätzlichen Lithiumoxid-Anteil, der mit ca. 15-21% angegeben wird. Dazu kommen etwa 5% Phosphorpentoxid. Ca. 10% Zirkoniumdioxid sorgen dafür, dass mechanische Eigenschaften erreicht werden, die die Fertigung dreigliedriger Brücken zulassen.
Bei der Herstellung wird Zirkoniumdioxid in der flüssigen Glasphase aufgelöst ist. Es wird in Blöcke gegossen und langsam abgekühlt. Diese Glasblöcke sind für eine Bearbeitung mit CNC-Maschinen zu spröde. Sie werden deshalb vom Hersteller nochmal erwärmt. Dabei scheidet das gelöste Zirkoniumdioxid aus und bildet wenige Nanometer kleine Kristalle. Sie sind dann später die Keime für die weitere Kristallisation. Die Temperatur wird daraufhin weiter erhöht. Es kommt nun zur Bildung von Kristallen, die überwiegend aus Lithiumsilikat, aber auch aus Lithiumdisilikat und Lithiumphosphat bestehen. Diese Vorkristallisation wird nach einiger Zeit unterbrochen. Bei der VITA ZLS-Keramik werden die Glaskeramikblöcke z.B. in diesem Zustand subtraktiv im Labor gefertigt. Danach erfolgt der abschließende Kristallisationsbrand bei 840°C.
VITA SUPRINITY kann z.B. durch Malfarben sowie eine Glasur mit speziellen Massen vor oder nach dem Kristallisationsbrand bearbeitet werden. Die Brenntemperatur nach dem Kristallisationsbrand beträgt 800°C. Auch für die Cut-back-Technik steht eine geeignete Verblendkeramik zur Verfügung.
Die ZLS-Keramik CELTRA PRESS ist für die Presstechnik geeignet.
Indikation
Lithium-Disilikat-Keramiken können als einfarbige Blöcke zur Herstellung dreigliedriger Frontzahnbrücken verwendet werden. Meistens werden sie aber für Einzelkronen im Seitenzahnbereich eingesetzt.
Verarbeitung
Die vorkristallisierte Variante wird in einem Ofen mit Vakuumeinheit kritallisiert. Die Auskristallisation gibt der Glaskeramik ihre mechanischen und optischen Eigenschaften. Durch ein fehlerhaftes, von den Vorgaben des Herstellers abweichendes Vorgehen werden die physikalischen Werte wie Biegefestigkeit und auch die Farbe negativ beeinflusst.
Die auskristallisierte Variante benötigt keinen Kristallisationsbrand. Dafür dauert der Schleifprozess des sehr harten Werkstoffs deutlich länger und die Schleifwerkzeuge verschleißen sehr schnell.
Charakterisierung/Verblendung
Gegensatz zu den Feldspat-Keramiken eignen sich Lithiumsilikat-Keramiken aufgrund ihrer hohen Festigkeit und ihrer Transluzenz auch als Gerüstmaterial. Sie können mit Verblendkeramik bzw. den Glasurmassen problemlos individualisiert und charakterisiert werden. Diese muss allerdings auf den WAK-Wert des Lithium-Disilikat abgestimmt sein.
Politur
Die Politur erfolgt wie bei anderen Werkstoffen, jedoch werden spezielle Polierkörper benötigt, die einen auf den Werkstoff abgestimmten Aufbau besitzen. Die zirkondioxidverstärkte Variante hat eine sehr homogene, feine Kristallverteilung und eher idiomorphe Kristalle, sodass das Polieren einfacher ist als bei den eher länglichen Kristallen der reinen Lithiumdisilikat-Keramik.
Befestigung
Die Versorgungen können konventionell befestigt werden, jedoch ist eine adhäsive Befestigung eher angebracht und wird als besser betrachtet. Das Ausstrahlen der Restaurationen als Alternative zum Anätzen kann zur Schädigung der Keramik führen und ist deshalb kontraindiziert.