LS7.3 Prothesenwerkstoffe und Verarbeitungsverfahren

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Übersicht über Werkstoffe und Verarbeitungsverfahren[1]

Wissen Sie, welcher Prothesenbasiskunststoff bei der zuletzt von Ihnen eingesetzten Totalprothese verwendet wurde? Wenn Sie auch noch wissen, warum gerade dieses Material zum Einsatz kam, können Sie ruhig zum nächsten Artikel übergehen, denn dann verhalten Sie sich absolut konform mit dem Geist des Medizinprodukte-Gesetzes.

Das Medizinprodukte-Gesetz betrachtet Totalprothesen als Sonderanfertigungen, die auf schriftliche Anordnung und spezifische Merkmale hin hergestellt werden. Einige Experten sind der Meinung, dass der Zahnarzt die Auswahl der Materialien treffen sollte. In der Praxis gibt der Zahnarzt jedoch meist keine genauen Vorgaben zu den Materialien. Der Zahntechniker wählt die Materialien basierend auf seinen Erfahrungen und den technischen Möglichkeiten aus.

Wenn der Zahnarzt selbst die Materialien auswählen möchte, sieht er sich in Deutschland einer großen Auswahl an zugelassenen Prothesenbasiskunststoffen gegenüber, die alle der europäischen Norm EN ISO 1567 entsprechen. Gibt es neben dem Preis tatsächlich relevante Unterschiede zwischen den Materialien? Und welche chemischen Alternativen zu den üblichen PMMA-Kunststoffen gibt es für Patienten mit einer diagnostizierten Allergie?


Geschichtlicher Überblick

Die ersten Kunststoffprothesen wurden 1847 vom amerikanischen Zahnarzt Thomas W. Evans aus vulkanisiertem Naturkautschuk hergestellt. Trotz vieler Nachteile wie schwieriger Verarbeitung, Quellung und schlechter Oberflächenqualität wurden Kautschukprothesen bis zur Einführung von Polymethylmethacrylat (PMMA) weiter produziert. Um 1870 wurde Zelluloid als Prothesenmaterial verwendet, obwohl auch hier große Probleme wie Kampfergeschmack, Bruchgefahr und fehlende Reparaturmöglichkeiten auf ein besseres Material hinwiesen. In den 1930er Jahren gelang die Herstellung von PMMA, und 1936 entwickelte der Zahntechniker Gottfried Roth mit dem Pulver-Flüssigkeitsverfahren eine Methode zur Prothesenherstellung, die bis heute grundlegend verwendet wird. Im LAuf der Zeit wurden neue Materialien und Verfahren entwickelt, um die wenigen Nachteile von PMMA und die seltenen Allergien auf deren Bestandteile zu beheben. Heute (2011) werden in Deutschland jährlich etwa 1,5 Millionen Teilprothesen und über 750.000 Vollprothesen hergestellt.

Anforderungen an ein ideales Prothesenmaterial

Eine Liste von Eigenschaften eines idealen Prothesenmaterials kann bei der Auswahl eines geeigneten Kunststoffs hilfreich sein. Jeder Zahnarzt kann je nach persönlicher Vorliebe und der individuellen Situation des Patienten entscheiden, welche Kriterien für ihn wichtig sind. Zum Beispiel zeigte die Studie von Rölleke, dass Promysan nicht die Anforderungen der ISO 1567 (1999) in Bezug auf Farbe, Transluzenz und Polierbarkeit erfüllte. Dieser Kunststoff könnte jedoch eine echte chemische Alternative bei einer Allergie gegen PMMA darstellen.


Einteilung der Prothesenbasiskunststoffe

Langkettige Kunststoffe werden durch verschiedene Verfahren hergestellt, darunter Polykondensation (z.B. Polycarbonate, Polyamide, Polyester), Polyaddition (z.B. Polyurethane) und am häufigsten durch Polymerisation (z.B. PMMA). Die Kunststoffe lassen sich in folgende Gruppen einteilen:


PMMA (Plexiglas)

Diese Kunststoffe sind aufgrund ihrer hervorragenden Eigenschaften nach wie vor sehr beliebt, trotz neuerer Entwicklungen. Das Pulver besteht zu 99% aus vorpolymerisierten Perlen, Initiatoren (wie Benzoylperoxid) und Farbstoffen (Metallsulfide oder -oxide). Die Flüssigkeit enthält etwa 90% Monomer (MMA) sowie verschiedene Comonomere, Stabilisatoren und Inhibitoren (z.B. Hydrochinon).


PVC/PMMA-Mischpolymere

Für Patienten, die auf PMMA empfindlich reagieren, ist Luxene eine häufige Alternative. Es besteht aus etwa 60% Polyvinylchlorid (PVC), 32% Vinylacetat und 8% MMA. Vorteile sind die hohe Schlagfestigkeit und geringe Wasseraufnahme, während die aufwendige Verarbeitung nachteilig ist.


Polyacetale (POM)

Dieser teilkristalline, thermoplastische Kunststoff wird aus Formaldehyd oder Trioxan hergestellt. Er hat eine hohe Elastizität, die es ermöglicht, zahnfarbene Klammern herzustellen. Ein Nachteil ist die schlechte Reparierbarkeit.


Polyester

Prothesenkunststoffe auf Polyesterbasis sind thermoplastisch und zeichnen sich durch hohe Härte und Bruchfestigkeit aus. Die Verarbeitung kann jedoch kompliziert sein.


Polycarbonate

Diese Thermoplaste entstehen durch eine Reaktion zwischen Kohlensäure und einem binären Alkohol. Sie sind teilweise glasfaserverstärkt und bieten eine höhere Schlagzähigkeit und Elastizität als PMMA. Aufgrund von Nachteilen wie Passungenauigkeit sind sie derzeit nicht im Markt erhältlich, aber Polycarbonat-Tiefziehfolien sind verfügbar.


Polyamide / Polyurethane

Diese Materialien sind zu elastisch, was oft zu Schäden an Prothesen führt. Sie neigen auch zum Quellen und zur Entfärbung, weshalb sie sich nicht als Prothesenmaterialien bewährt haben.


PMMA

PMMA gilt heute als der ideale Kunststoff für Prothesenbasismaterialien. Andere Kunststoffe können jedoch auch nützlich sein, je nach den gewünschten Eigenschaften. Es ist wichtig, gut informiert zu sein, um die richtige Auswahl zu treffen. Die europäische Norm EN ISO 1567 (2000) unterscheidet Kunststoffe nach der Art der Aushärtung und definiert fünf Typen.


Allgemeine Verarbeitungsprobleme: Schrumpfung und Restmonomer

Bei der Herstellung von Kunststoffprothesen gibt es einige Probleme, wie z.B. eine Materialschrumpfung von bis zu 20% während der Polymerisation. Um dies zu reduzieren, werden vorpolymerisierte Pulver oder spezielle Verfahren verwendet. Auch die thermische Kontraktion während des Abkühlens kann zu Spannungen und Passungenauigkeiten führen. Bei totalen Oberkieferprothesen ist eine individuelle doesale Randabdämmung empfehlenswert, um des Saugeffekt zu erhalten.

Nicht alle Monomere werden während der Polymerisation umgesetzt, was zu einem Restmonomergehalt führt. Kaltpolymerisierte Prothesen haben anfangs einen höheren Restmonomergehalt, der sich jedoch im Laufe der Zeit verringert. Um den Restmonomergehalt zu minimieren, sollten fertige Prothesen mindestens 24 Stunden in lauwarmem Wasser ausgewaschen werden. Vorpolymerisierte Thermoplaste können die Probleme von Schrumpfung und Restmonomer weitgehend vermeiden, haben jedoch eine schwache chemische Bindung zu Kunststoffzähnen.


Verarbeitungsverfahren

Die Wahl des richtigen Verfahrens ist entscheidend für die Qualität des Endprodukts. Aktuelle Verfahren sind:


Stopf-Preß-Verfahren

Hierbei werden flüssiges Monomer und Pulver gemischt, in eine Form gefüllt und gepresst. Nachteile sind die Bildung von Preßfahnen und die unzureichende Kompensation der Schrumpfung.


Injektionsverfahren

Das Monomer-Polymer-Gemisch wird in eine geschlossene Form injiziert. Vorteile sind die Vermeidung von Preßfahnen, jedoch ist der technologische Aufwand hoch.


Gießverfahren

Flüssige Kaltpolymerisate werden in eine Form gegossen und bei 40°C bis 55°C polymerisiert. Hier muss die Zeitersparnis gegen die höhere Schrumpfung abgewogen werden.


Spritz-Guß-Verfahren

Auspolymerisierte Thermoplaste werden erhitzt und unter hohem Druck in eine spezielle Form eingespritzt. Dieses Verfahren bietet Vorteile wie einen geringen Restmonomergehalt und keine Polymerisationsschrumpfung, erfordert jedoch einen hohen technologischen Aufwand. Zudem müssen die Prothesenzähne mit Retentionselementen versehen werden, da bei Thermoplasten keine ausreichende Anpolymerisation stattfindet.


Schmelz-Preß-Verfahren

Diese Technik kombiniert das Stopf-Preß- und Injektionsverfahren und wurde speziell für die Verarbeitung von Luxene entwickelt. Dabei wird vorpolymerisiertes, erwärmtes Gel in eine offene Form gefüllt und anschließend gepresst. Die Polymerisation erfolgt im Wasserbad.


Allergie und Prothesenunverträglichkeit

Allergien gegen Prothesenmaterialien sind sehr selten und treten mit einer Häufigkeit von 0,2 bis 0,3% auf. In der Regel sind nicht die Kunststoffe selbst, sondern ihre unpolymerisierten Bestandteile die Auslöser. Tests zeigen häufig Reaktionen auf den Initiator Benzoylperoxid und den Inhibitor Hydrochinon. Die Monomere MMA und TEGDMA sind für Zahntechniker relevante Allergene.

Es ist wichtig zu beachten, dass Latex- und Vinylhandschuhe keinen ausreichenden Schutz gegen Monomere bieten. Der niedrige Restmonomergehalt in fertigen Prothesen gilt als geringes Risiko für Patienten. Obwohl eine echte Kontaktallergie gegen Prothesenkunststoffe nicht ausgeschlossen werden kann, sind korrekt hergestellte Prothesen chemisch und allergologisch inert. Eine Diagnose sollte immer mit klinischen Symptomen verbunden sein, da häufigere Ursachen für Prothesenunverträglichkeiten mechanischer, mikrobieller oder psychischer Natur sind. Bei nachgewiesenen Allergien sollten Kunststoffe verwendet werden, die frei von den betreffenden Allergenen sind.


Weichbleibende Prothesenmaterialien und Kieferorthopädie-Kunststoffe

Zu den weichbleibenden Basismaterialien gehören hauptsächlich Silikone, die einer anderen ISO-Norm (ISO 10139) unterliegen. Diese Materialien sind aufgrund ihrer viskoelastischen Eigenschaften in der Lage, okklusale Kraftspitzen besser zu verteilen und Druckstellen an der Schleimhaut zu vermeiden. Sie können auch den Halt der Prothesen verbessern, insbesondere bei stark atrophierten Kieferkämmen, scharfen Knochenkanten oder sehr dünner Schleimhaut. Diese Materialien können für die gesamte Prothesenbasis oder nur für bestimmte Abschnitte verwendet werden, um die Belastung auf tragfähigere Schleimhautareale umzuverteilen.


Indikationen

  • Nach chirurgischen Eingriffen im Bereich der Prothesen, wie z.B. nach Zahnextraktionen oder bei vorübergehendem Zahnersatz während der Heilungsphase.
  • Langzeit-Funktionsabformung über Stunden oder Tage: Wenn der Halt und Komfort einer Prothese nicht durch herkömmliche Methoden erreicht werden kann.
  • Anpassung der Schleimhaut nach Entzündungen, die zu Prothesenstomatitis geführt haben. Um dem Patienten das Tragen der Prothese während der Therapie zu ermöglichen, kann diese durch eine weichbleibende Unterfütterung angepasst werden.
  • Aufbissschienen, Mundschutz und Zahnfleischmasken.
  • Defektprothetik und Epithetik.


Materialien

Kunststoffe werden durch innere und äußere Weichmacher elastisch. Äußere Weichmacher verlieren jedoch mit der Zeit ihre Wirkung, da sie in Wasser ausgewaschen werden. Daher sind Kunststoffe mit äußeren Weichmachern für den dauerhaften Einsatz ungeeignet. Der Begriff „weichbleibende Kunststoffe“ ist irreführend, da mittlerweile Silikone verwendet werden, die hervorragende elastische Eigenschaften haben und gut desinfiziert werden können. Diese Silikone übertreffen die weichen Kunststoffe in vielen Eigenschaften.

Allerdings gibt es kein ideales Unterfütterungsmaterial, das alle folgenden Anforderungen erfüllt:

  1. Beständigkeit im Mund
  2. Gewebefreundlichkeit
  3. Glatte Oberfläche und Polierbarkeit
  4. Hohe Elastizität und Rückstellvermögen
  5. Passgenauigkeit und Abriebfestigkeit
  6. Einfache Verarbeitung
  7. Farbkonstanz
  8. Gute Haftung zum Prothesenkunststoff.


Verbunde zu anderen Werkstoffen

Die Verbindung zwischen Silikon und PMMA war in der Vergangenheit problematisch, da sie sich unter Druck lösen kann. Eine chemische Verbindung ist nur über spezielle Verfahren möglich. Bei der Verbindung von A-Silikonen mit Metallen muss die Metalloberfläche vorbereitet werden. Durch spezielle Verfahren kann die Verbindung zwischen A-Silikonen und Legierungen verbessert werden.


Verarbeitung weicher Materialien

Die Bearbeitung von A-Silikon-Materialien sollte vermieden werden. Im Mund sorgt Speichel für eine glatte Oberfläche. Im Labor muss der Gips perfekt isoliert werden, um Unregelmäßigkeiten zu vermeiden. Es gibt keine Werkzeuge, die sowohl abtragen als auch glätten können. Kühlung verbessert die Oberflächenqualität nicht.


Nachteile weichbleibender Prothesenkunststoffe

Die Haltbarkeit dieser Materialien ist problematisch aufgrund:

  • Unzureichender Abriebfestigkeit
  • Hartwerden durch Verlust von Weichmachern
  • Oberflächenrauhigkeit
  • Verlust der Haftung zwischen elastischem und hartem Material
  • Farbveränderungen
  • Geruchsbildung
  • Ansiedlung von Mikroorganismen
  • Empfindlichkeit gegenüber Reinigungsmitteln.

Diese Faktoren können zu Schäden an der Schleimhaut führen. Weichbleibende Materialien sollten daher nur vorübergehend eingesetzt oder regelmäßig erneuert werden.


Der ursprüngliche Text stammt von diesen Autoren. Er wurde mit KI (ChatGPT 4omini, duck.ai) vereinfacht.

Autoren:

Dr. Sonja Tai; Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis; Alte Jakobstraße 81 / 82; 10179 Berlin

Dr. Robert Strauch; Zahnarztpraxis; Langhansstr. 148; 13086 Berlin


Literatur [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9]

  1. http://www.dentalkompakt-online.de/32_seite.html. Mi, 16. März 2011
  2. Anil N., Hekimoglu C., Büyükbas N., Ercan M.T.: Microleakage study of various soft denture liners by autoradiography: Effect of accelerated aging. J Prosthet Dent 84, 394-399 (2000).
  3. Bulad K., Taylor R.L., Verran J., McCord J.F.: Colonization and penetration of denture soft linin materials by Candida albicans. Dent Mat 20, 167-175 (2004).
  4. Nikawa H., Jin C., Makihira S., Egusa H., Hamada T., Kumagai H.: Biofilm formation of Candida albicans on the surfaces of deteriorated soft denture lining materials caused by denture cleansers in vitro. J Oral Rehabil 30, 243-250 (2003).
  5. Reuling N., Siebert G.K.: Dentale Kunststoffe - werkstoffkundlicher Überblick und klinische Anwendung. ZWR 97, 42-49 (1988).
  6. Saber-Sheikh K., Clarke R.L., Braden M.: Viscoelastic properties of some soft lining materials II - ageing characteristics. Biomat 20, 2055-2062 (1999).
  7. Sertgöz A., Kulak Y., Gedik H., Taskonak B.: The effect of thermocycling on peel strength of six soft lining materials. J Oral Rehabil 29, 583-587 (2002).
  8. Utz K.H.: Zur Indikation der Verwendung weichbleibender Kunststoffe. ZWR 96, 812-817 (1987).
  9. Welker D.: Weiche Kunststoffe - Sorgenkind in der Zahntechnik? AG dentale Technologie 2001, Abstraktband.